„Ich bin ein waschechter Ossi!“

Rede von Karamba Diaby zur „Ostquote“ – Quelle: Phoenix

Plenarrede zur Ost-Quote in Bundesbehörden durchsetzen – Grundgesetz achten am 15.03.2019

Sehr verehrter Herr Präsident,

meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,

vor einigen Jahren erzählte mir eine Lehrerin,

wie sie in der Straßenbahn in Halle ein Gespräch zwischen zwei Jugendlichen gehört hat.

Der eine meinte zum anderen, als er mein Wahlplakat sah:

„Was ist das für einer? Wo kommt er denn her?“

Der andere antwortete:

„Warum fragst Du so doof? Das ist der Karamba: Ein richtiger Ossi. Einer von uns!“

Liebe Damen und Herren,

Sie sehen: Es kann unterschiedliche Meinungen dazu geben, wer als Ostdeutscher gilt und wer nicht.

Vielleicht werden nicht alle Kolleginnen und Kollegen mit mir übereinstimmen, wenn ich jetzt sage:

„Ich bin ein waschechter Ossi!“

Doch wer entscheidet das eigentlich?

In der Öffentlichkeit wird unter anderem folgendes Kriterium diskutiert:

Dass zum Beispiel ein Elternteil vor dem 9. November 1989 in einem ostdeutschen Land gewohnt hat.

Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass ich dieses Kriterium als höchst unvollständig empfinde.

Im Übrigen nicht nur, weil ich dann nicht als Ostdeutscher gezählt würde, obwohl ich seit über 30 Jahren in Halle lebe, sondern auch Zehntausende von Menschen, die als Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer oder als Studierende zu DDR-Zeiten nach Deutschland gekommen sind und bis heute mit Kindern und Enkelkindern hier leben.

Ich frage mich: Was ist mit der ehemaligen Textilarbeiterin

Frau Ha aus Magdeburg – geboren in Vietnam und seit über 30 Jahren in Sachsen-Anhalt?

Wozu wird der hallesche Oberarzt und Chef der Notaufnahme unserer Uniklinik, Mroawan Amoury, –

geboren in Israel und fast vier Jahrzehnte in Halle lebend – gezählt?

Was ist mit dem 80-jährigen Ingenieur Dr. Mohamed Yousif,

langjähriger Stadtrat in Halle – geboren in Ägypten,

aber seit fünf Jahrzehnten in Halle verwurzelt?

Es gibt keine Zweifel: Sie alle sind ein Teil Deutschlands.

Liebe Damen und Herren,

meiner Meinung nach sollten wir, bevor wir über Quoten sprechen, eine Diskussion anregen, wen wir eigentlich mit „ostdeutsch“ meinen.

Dann bin ich sehr gerne bereit, über konkrete Maßnahmen zu sprechen, wie der Anteil von „Ostdeutschen“ in den Bundesbehörden gesteigert werden kann.

Der Verweis auf Artikel 36 des Grundgesetzes reicht dabei nicht.

Dort steht: „Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden“.

Daraus lässt sich aber laut Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes keine fixe Ost-Quote ableiten.

Meine Damen und Herren,

vielleicht wird eines Tages die Lehrerin wieder zu mir kommen und von einem neuen Gespräch berichten, das sie in der Straßenbahn mitgehört hat.

Vielleicht werden dann die Jugendlichen

beide zustimmend und ohne Unterscheidung

Ost- und Westdeutsche,

Einwanderer oder Nicht-Einwanderer sagen:

„Guck mal hier. Das ist Karamba.

Ein richtiger Hallenser. Einer von hier.“

Danke!